Die SPD

Die Geschichte der Berliner SPD ist auch eine Geschichte be­deutender Per­sön­lich­­­keiten, die den gemein­samen politischen Kampf für Freiheit, Gerechtig­keit und Solidarität verkörpern. Wie keine andere Partei spiegelte sie – besonders im 20. Jahrhundert – die Ent­wicklung der Stadt und wirkte im Mittel­punkt, wenn Berlin an einem Scheideweg stand.

Die SPD ging aus dem 1863 von Ferdinand Lassalle gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) und der 1869 gegründeten Sozial­demo­kratischen Deutschen Arbeiterpartei hervor, die sich am 27. Mai 1875 in Gotha zur SPD vereinigten. Sie überstand in den Jahren 1878 – 1890 Bismarcks „Sozialistengesetz“ und entwickelte unter der Parteiführung von August BebelWilhelm Liebknecht und Paul Singer sowie dem Einfluss der Parteitheoretiker Karl Kautsky und Eduard Bernstein programmatische Grundlagen, die an der Abschaffung der Klassenherrschaft orientiert waren. All dies beförderte den Aufstieg der Partei- und Gewerkschaftsbewegung zu Massenorganisationen, die für die Rechte der Arbeiter und die Gleichberechtigung der Frauen kämpften.

1912 war die SPD die stärkste Partei in Berlin und hatte über 100.000 Mitglieder. Dass sich in ihren Reihen besonders viele kritische Anti­militaristen und Internationalisten fanden, zeigte sich im Verlauf des Krieges (1914–1918), da die inner­parteilichen Gegner des „Burgfriedens“ und der Bewilligung der Kriegskredite ab 1916 im Bezirksverband Berlin die Mehrheit hatten und in den folgenden Jahren der 1917 gegründeten USPD zu einer einflussreichen Position verhalfen.

Die Katastrophe des 1. Weltkrieges mit Millionen Toten an der Front und hungernden Familien in der Heimat führte schließlich 1918 zur Revolution in Deutschland. Der Kampf von Matrosen, Arbeitern und Soldaten, die den Sturz der alten Ordnung herbeiführten, schuf die Grundlage für weitgehende Freiheitsrechte. Ein repräsentativer Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte im Dezember 1918 in Berlin sprach sich mit großer Mehrheit für Wahlen zu einer National­ver­sammlung am 19.1.1919 aus. (Eine revolutionäre Minderheit wollte dies nicht akzeptieren und stritt gewaltsam für eine Räteherrschaft in Deutschland).

Am 11. Februar 1919 wurde Friedrich Ebert (SPD) zum Reichspräsidenten gewählt, und die Sozialdemokratin Marie Juchacz hielt am 19. Februar 1919 als erste Frau eine Rede in der Weimarer Nationalversammlung. Die erste deutsche Demokratie fand in der SPD, die ein klares Bekenntnis zur demokratischen Republik abgab (Görlitzer Parteitag 1921), ihre größte und treueste Fürsprecherin.

SPD-Vorsitzender von Groß-Berlin war in den Jahren 1923 – 1933 Franz Künstler, der eine kämpfer­ische Groß­stadt­partei re­präsentierte. Ab 1924 versuchte diese auch in der Republik­schutz­organisation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ den wachsenden politischen Ex­tremis­mus ab­zu­wehren.

Berlin war auch der Sitz der Regierung des Landes Preußen, das sich unter der Führung der Sozialdemokraten Otto Braun und Carl Severing – in einer Koalition mit Zentrumspartei und DDP – über viele Jahre als stabilisierende Kraft der demo­kratischen Republik hervortat. Der Putsch des rechts­konservativen Kanzlers von Papen setzte dem am 20. Juli 1932 ein gewaltsames Ende.

Mit der Machtübertragung an Adolf Hitler 1933 durch reaktionäre Kreise und der Umwandlung Deutschlands in eine faschistische Diktatur begann auch für die SPD die dunkelste Stunde unserer Geschichte. Der SPD-Vorsitzende Otto Wels hielt am 23. März 1933 die einzige kritische Reichstagsrede gegen das „Ermächtigungs­gesetz“. Seine mutigen Worte bleiben bis heute Ausdruck einer Sternstunde, nicht nur der SPD, sondern des freiheitlichen Denkens überhaupt: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“

Zwischen 1933 und 1945 wurden unzählige Sozial­demokratinnen und Sozial­demokraten verfolgt und in Haft­anstalten und Konzentrations­lager verschleppt. Viele wurden ermordet oder starben – wie Franz Künstler – vorzeitig an den in der Haft erlittenen Gesundheitsschäden. Allein in Berlin leisteten hunderte Sozial­demokraten Wider­stand gegen die NS-Herrschaft, Tausende bewiesen ihre Gegnerschaft. Führende Köpfe von SPD und Gewerkschaften wie Julius Leberund Wilhelm Leuschner beteiligten sich zudem am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 und fanden in Plötzensee den Tod. Wieder andere überlebten nach ihrer Flucht im Exil.

Nach dem Ende der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs wurde Berlin aufgrund der Beschlüsse der alliierten Siegermächte in vier Sektoren unterteilt. Die SPD wurde hier am 15. Juni 1945 wieder gegründet. In der Sowjetischen Besatzungszone und in Ost-Berlin wurde die Partei 1946 mit der KPD zur SED zwangsvereinigt. In ihrem Kampf dagegen und in ihrem Einsatz für die Freiheit West-Berlins zur Zeit der Berlin-Blockade wurde die Berliner SPD zum Symbol des Überlebens. Beeindruckendes Zeugnis hierfür ist die große Rede Ernst Reuters vor der Reichstags­ruine am 9. September 1948, bei der etwa 300.000 Menschen seinen berühmten Worten zujubelten: „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!“

Das geteilte Berlin galt vielen als „Frontstadt des Kalten Krieges“. Seit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 waren die Berlinerinnen und Berliner in beiden Stadthälften der nahezu unüberwind­lichen Grenze ausgesetzt, die Familien trennte und über 100 Menschen das Leben kostete, die in ihrem Freiheits­willen die gefährliche Flucht wagten. 

Zu dieser Zeit amtierte der spätere Bundes­kanzler Willy Brandt als Re­gieren­der Bürger­meister von Berlin. Er sprach sich entschieden gegen die Teilung der Stadt und die Preis­gabe West-Berlins aus und erreichte schließlich durch das Passier­schein­­ab­kommen von 1963 erstmals seit dem Mauerbau die Möglich­keit von Verwandt­­schafts­besuchen in Ost-Berlin. Jahre später hatte er durch seine Ent­­spannungs­politik und seinen Einsatz für die Aus­söhnung mit den ost­euro­päischen Nach­barn erheblichen Anteil an jenen Prozessen, die schließlich zum Ende der europäischen Teilung, zum Mauer­fall und zur Ver­einigung Deutsch­lands führten. 1971 erhielt er den Friedens­nobel­preis.